Der Award am Alexandrinum in Coburg
Interview mit Patrick Löffler (Lehrer für Mathematik und Informatik und Award Leader)
Gekürzte Auszüge aus einem Interview für die Bachelorarbeit von Laura Scholz zum Thema „Persönlichkeitsbildung an bayerischen Gymnasien“ (LMU, 2024)
Inwiefern haben Sie sich mit dem Thema Persönlichkeitsbildung von Schülerinnen und Schülern auseinandergesetzt?
Im Rahmen des EWS-Studiums, dann entsprechend hinterher, also das, was man im Referendariat so macht. Spezielle Kurse habe ich jetzt nicht extra besucht, bevor ich mit dem Duke of Edinburgh‘s Award angefangen habe. Beim Duke of Edinburgh‘s Award habe ich an fast allen Lehrgängen teilgenommen, die es gab, und auch zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten belegt. Das war dann schon einiges.
Welche Facetten umfasst Persönlichkeitsbildung für Sie?
Das eine ist natürlich erst einmal der Aufbau der eigenen Persönlichkeit, also nach innen gerichtet, dass man seine eigene Persönlichkeit entfaltet. Das andere ist, seine Persönlichkeit auch in die Gesellschaft einzubringen, ao dass man sich nicht nur selbst sieht, sondern auch die Rolle, die man in der Gesellschaft spielt. Das bedingt sich natürlich gegenseitig und wirkt sich aufeinander aus.
Was sind Ihre Beweggründe, sich mit Persönlichkeitsbildung und dem Duke Award auseinanderzusetzen?
Auf jeden Fall, dass man die Schüler oder Jugendlichen möglichst da abholt, wo sie sind und ihnen Unterstützung gibt. Aus meiner Sicht hat sich gezeigt, dass sich da in den letzten 17 Jahren, in denen ich jetzt Lehrer bin, durchaus etwas verändert hat. Es gibt ein paar Fähigkeiten und Skills, die, als ich mit Unterrichten angefangen habe, noch allgemein verbreitet waren, und die jetzt ein bisschen weniger verbreitet sind. Das ist schade, denn vieles war dabei, das aus meiner Sicht dann doch durchaus zu einer Persönlichkeitsentwicklung beitragen würde.
Zum Beispiel, dass man nicht rechtzeitig mit dem Planen anfängt. Vor 17 Jahren waren Smartphones noch nicht so verbreitet. Man musste sich immer schon viel früher Gedanken machen, um mit anderen Leuten was auszumachen beziehungsweise vorzuplanen. Diese Planungsfähigkeit (und auch der Wille dazu) ist ein bisschen verloren gegangen. Das lernt man dann im Duke of Edinburgh‘s Award Programm, dass man das wieder entwickeln muss, weil man da viele Aufgaben hat, die Vorplanung erfordern.
Würden Sie sagen, dass Persönlichkeitsbildung sowohl im Unterricht integriert ist als auch in non-formalen Programmen erfolgt?
Auf jeden Fall, genau. Ich denke, dass im Unterricht das Standardprogramm, wenn man so will, läuft. Und in den zusätzlichen extra-curricularen Aktivitäten dann andere Fähigkeiten vermittelt werden, die zur Persönlichkeitsbildung beitragen und da gibt es die verschiedensten Aspekte.
Ein wesentlicher Punkt ist natürlich der Duke of Edinburgh‘s Award. Bei uns gibt es aber auch eine Umwelt-AG, verschiedenste AGs wie Imkergruppe oder Zaubergruppe. Zudem gibt es ein starkes Mentoringprogramm für die Unterstufe, wo die Mittel- beziehungsweise Oberstufenschüler sich dann allgemein als Ansprechpartner um die Unterstufe kümmern und dann speziell für die Fünfte als Tutoren und Mentoren im Ganztagesangebot mitarbeiten und mithelfen.
Und Schulsanitätsdienst: die sind dann besonders gefragt, wenn es darum geht, sich um andere zu kümmern und vielleicht emotionale Fähigkeiten und Kompetenzen auszubauen. Gleichermaßen gibt es auch so etwas wie eine Technik-AG. Da kommen andere Kompetenzen hinzu, die es im regulären Unterricht dann eigentlich nicht gibt, weil sich die Inhalte quasi nicht decken. All diese Dienste lassen sich auch in das Duke Programm integrieren.
Was glauben Sie, welche Fähigkeiten für Schülerinnen und Schülern aktuell besonders relevant sind?
Auf jeden Fall eine schnelle Anpassungsfähigkeit, weil Entwicklungen, die jetzt nicht nur unbedingt von Seiten des Smartphones ausgehen, sondern allgemein von der IT-Landschaft und auch hinsichtlich des Einsatzes von künstlichen Intelligenzsystemen, werden natürlich ungemein eine Anpassungsfähigkeit in allen Bereichen erfordern. Ich glaube, dass das dies ein wesentlicher Punkt sein wird, der in Zukunft für eine erfolgreiche Lebensrealisierung notwendig ist.
Was ist Ihnen besonders wichtig bei der Implementierung von Maßnahmen der Persönlichkeitsbildung, wie z.B. dem Duke Award?
Ich persönlich bin von dem Konzept sehr begeistert. Man hat die verschiedenen Bereiche und muss sich engagieren und seinen Fokus darauf legen. Und dass das alles gleichzeitig im Rahmen eines Programms stattfindet, wirkt sich viel stärker im selben Zeitraum aus, als wenn man sagt, dass man das alles losgelöst voneinander nacheinander macht. Man bekommt in jeden Bereich Einblick und muss alles in einen Wochenplan integrieren. Das bedarf ganz großer zusätzlicher Planung. Das ist genau das, was ich vorhin gemeint habe mit dieser Planungsfähigkeit, die man hier zusätzlich erwerben kann.
Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie?
Die große Chance, die ich persönlich auch sehr an meiner Fächerkombination sehe, ist, mit den Schülern und Schülerinnen auf einer ganz anderen Ebene in Kontakt zu treten. Ich lerne meine Schüler auf eine ganz andere Art und Weise kennen, wenn wir zusammen auf Expedition sind, oder ich sie in irgendwelchen zusätzlichen Aktivitäten betreue, denn Mathe und Informatik sind für die meisten jetzt nicht unbedingt das Traumfach.
Und Herausforderungen?
Es ist auf jeden Fall der zeitliche Rahmen. Die Schüler und Schülerinnen sind häufig sehr engagiert und stoßen dann irgendwann an die Herausforderung, alles zeitlich unter einen Hut zu bringen. Wenn am nächsten Tag eine Schulaufgabe oder irgendetwas ansteht und noch die eine oder andere zusätzliche Veranstaltung läuft, wird es manchmal schwierig.
Inwiefern bemerken Sie durch die Persönlichkeitsbildungsmaßnahmen an Ihrer Schule eine Leistungs- und Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern?
Ich würde sagen, man merkt, dass stark engagierte Schülerinnen und Schüler bei kurzfristigen Leistungsnachweisen vielleicht ein bisschen schwächer sind als die, die sich hauptsächlich auf die Schule konzentrieren. Weil ihnen einfach die Zeit fehlt, um sich für jedes Fach vorzubereiten. Und das, denke ich, macht sich schon bemerkbar. Das ist das, was ich vorhin schon gemeint habe. Sie stehen immer in einem Konflikt. Manche sehen das als Nachteil und hören damit auf. Manche sagen, dass es eine Chance für sie ist, weil die zusätzliche Arbeit ihnen so viel Spaß macht und ihnen so viel zusätzliche Erfahrung und Fähigkeiten gibt. Wenn sie im Schulsanitätsdienst sind, werden sie vielleicht zum Rettungssanitäter mit ausgebildet, das können sie dann selbst auch gebrauchen. Wer im Schulsanitätsdienst war, macht dann zum Beispiel ein Medizinstudium. Der hat dann einen entsprechenden Erfahrungsvorschub, welcher natürlich nicht von der Hand zu weisen ist.
Haben Sie ein konkretes Beispiel, bei dem Sie eine Leistungs- oder Kompetenzentwicklung von einer Schülerin oder einem Schüler mitbekommen haben?
Wir hatten Schüler, die am Duke of Edinburgh‘s Award teilgenommen haben, die einen gewissen negativen Ruf hatten. Die haben dann in einer völlig neuen Rolle teilgenommen. Und dann durchaus durch das zusätzliche Vertrauen, das man ihnen auf einer ganz anderen Ebene entgegenbringen kann, so viel gewonnen, dass sie später gesagt haben: „Wenn ich das nicht gehabt hätte, dann hätte ich nicht gewusst, wie ich da durchgekommen wäre.“Das bekommt man dann auch hinterher als positives Feedback zurück. Das ist der Aspekt, bei dem man als Lehrer auf eine ganz andere Weise unterstützend tätig sein kann, was ich mit meinen Fächern im Unterricht kaum wahrnehmen kann. Aber wenn man als Lehrer dann am Lagerfeuer den Abend miteinander verbringt, dann kommt man ganz anders in Kontakt und auch auf einer ganz anderen Beziehungsebene.