Blog 30.08.2024

Der Award am bay. Gymnasium

Persönlichkeitsbildung: der Duke Award am Alexandrinum Coburg – ein Interview mit Patrick Löffler (Mathematik und Informatik, seit 17 Jahren Lehrkraft)

Gekürzte Auszüge aus einem Interview für die Bachelorarbeit von Laura Scholz zum Thema „Persönlichkeitsbildung an bayerischen Gymnasien“ (LMU, 2024)

Inwiefern haben Sie sich mit dem Thema Persönlichkeitsbildung von Schülerinnen und Schülern auseinandergesetzt?

Im Rahmen des EWS-Studiums, dann entsprechend hinterher, was man im Referendariat so macht. Spezielle Kurse habe ich jetzt nicht extra besucht, bevor ich mit dem Duke of Edinburgh‘s Award angefangen habe. Beim Duke of Edinburgh‘s Award habe ich fast alle Lehrgänge gemacht, die es gab, inklusive der Ganzen zusätzlichen Qualifikationsmöglichkeiten. Das war dann schon einiges.

 

Welche Facetten umfasst Persönlichkeitsbildung für Sie?

Das eine ist natürlich erst einmal der Aufbau der eigenen Persönlichkeit, also nach innen gerichtet, dass man seine eigene Persönlichkeit entfaltet. Das andere ist, seine Persönlichkeit auch in der Gesellschaft zu finden, dass man sich nicht nur selbst sieht, sondern auch die Rolle, die man in der Gesellschaft spielt. Das bedingt sich natürlich gegenseitig und wirkt sich aufeinander aus.

 

Was sind Ihre Beweggründe, sich mit Persönlichkeitsbildung und dem Duke Award auseinanderzusetzen?

Auf jeden Fall, dass man die Schüler oder Jugendlichen möglichst da abholt, wo sie sind und ihnen Unterstützung gibt. Aus meiner Sicht hat sich gezeigt, dass sich da in den letzten 17 Jahren, in denen ich jetzt Lehrer bin, durchaus etwas verändert hat. Es gibt ein paar Fähigkeiten und Skills, die, als ich mit Unterrichten angefangen habe, noch so allgemein verbreitet waren, und die jetzt ein bisschen weniger verbreitet sind. Ein paar Sachen sind schade, dass sie verloren gegangen sind, die aus meiner Sicht dann doch durchaus zu einer Persönlichkeitsentwicklung beitragen würden.

Zum Beispiel, dass man nicht rechtzeitig mit dem Planen von egal etwas anfängt. Es ist nun alles natürlich auch viel kurzfristiger möglich. Vor 17 Jahren waren Smartphones noch nicht so verbreitet. Man musste sich immer schon viel früher Gedanken machen, um mit anderen Leuten was auszumachen beziehungsweise vorzuplanen. Das ist so ein bisschen verloren gegangen. Das lernt man dann durchaus auch im Duke of Edinburgh‘s Award, dass man das wieder entwickeln muss, weil man da ganz viele Aufgaben hat, die Vorplanung erfordern.

 

Würden Sie sagen, dass Persönlichkeitsbildung sowohl im Unterricht integriert ist als auch in non-formalen Programmen erfolgt?

Auf jeden Fall, genau. Ich denke, dass im Unterricht das Standardprogramm, wenn man so will, läuft. Und in den zusätzlichen extra-curricularen Aktivitäten dann andere Fähigkeiten vermittelt werden, die zur Persönlichkeitsbildung beitragen und da gibt es die verschiedensten Aspekte.

Ein wesentlicher Punkt ist natürlich der Duke of Edinburgh‘s Award. Bei uns gibt es aber auch eine Umwelt-AG, verschiedenste AGs wie Imkergruppe oder Zaubergruppe. Zudem gibt es ein starkes Mentorenprogramm für die Unterstufe, wo die Mittel- beziehungsweise Oberstufenschüler sich dann allgemein als Ansprechpartner um die Unterstufe kümmern und dann speziell für die Fünfte als Tutoren und Mentoren im Ganztagesangebot mitarbeiten und mithelfen.

Und Schulsanitätsdienst: die sind dann besonders gefragt, wenn es darum geht, sich um andere zu kümmern und vielleicht emotionale Fähigkeiten und Kompetenzen auszubauen. Gleichermaßen gibt es natürlich auch so etwas wie eine Technik-AG. Da kommen andere Kompetenzen hinzu, die es im regulären Unterricht dann eigentlich nicht gibt, weil sich die Inhalte quasi nicht decken.

 

Was glauben Sie, welche Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern aktuell besonders relevant sind?

Auf jeden Fall eine schnelle Anpassungsfähigkeit, weil Entwicklungen, die jetzt nicht nur unbedingt von Seiten des Smartphones ausgehen, sondern allgemein von der IT-Landschaft und auch hinsichtlich des Einsatzes von künstlichen Intelligenzsystemen, werden natürlich ungemein eine Anpassungsfähigkeit in allen Bereichen erfordern. Ich glaube, dass das dies ein wesentlicher Punkt sein wird, der in Zukunft für eine erfolgreiche Lebensrealisierung notwendig ist.

 

Was ist Ihnen besonders wichtig bei der Implementierung von neuen Maßnahmen der Persönlichkeitsbildung, wie z.B. dem Duke Award?

Ich persönlich bin von dem Konzept sehr begeistert. Man hat so verschiedenste Bereiche und muss sich dann zusätzlich engagieren beziehungsweise seinen Fokus darauf legen. Es heißt nicht nur, dass man die Expedition zum Beispiel machen muss, sondern, dass man sich sozial engagieren muss, und auch irgendwas im Talentbereich tun oder Fitness führen muss. Und dass das alles gleichzeitig im Rahmen eines Programms stattfindet, wirkt sich viel stärker im selben Zeitraum aus, als wenn man sagt, dass man das alles irgendwie nacheinander macht. Und man bekommt in jeden Bereich Einblick, weil man dann alles irgendwie in einem Wochenplan integrieren muss. Man hat vielleicht noch zusätzliche Termine, die da irgendwie am Nachmittag außerhalb der Schule integriert werden müssen. Das bedarf ganz großer zusätzlicher Planung. Das ist genau das, was ich vorhin gemeint habe mit dieser Planungsfähigkeit, die man hier aus meiner Sicht noch besonders braucht und zusätzlich erwerben kann.

 

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie?

Da gibt es aus meiner Sicht zwei Punkte, die sich hier auswirken. Einmal natürlich für die Schüler, die dann entsprechend davon profitieren und ihre normale Schulzeit durchaus mit zusätzlichem Know-how bereichern können. Um hier, im Vergleich zu anderen, zusätzliche Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben. Und sich dementsprechend einmal selbst weiterentwickeln oder noch zusätzliche Entwicklungschancen durchführen, aber auf der anderen Seite natürlich auch, um so ein bisschen Standortvorteile zu nutzen.

Die andere Chance, die ich persönlich auch sehr an meiner Fächerkombinationen sehe, ist, mit den Schülern auf einer ganz anderen Ebene in Kontakt zu treten, um meine, auch wenn ich natürlich vielleicht jetzt nicht mehr ganz so flexibel bin, trotzdem meine Persönlichkeitsentwicklung genauso auszubauen. Ich lerne meine Schüler auf eine ganz andere Art und Weise kennen, wenn wir zusammen auf Expedition sind oder ich sie in irgendwelchen zusätzlichen Aktivitäten betreue als in meinen Standardfächern, weil Mathe und Informatik ist für die meisten jetzt nicht unbedingt das Traumfach.

 

Und Herausforderungen?

Es ist auf jeden Fall der zeitliche Rahmen. Die Schüler sind häufig sehr engagiert und stoßen dann irgendwann an die Herausforderung, den normalen Schulalltag inklusive der ganzen Zusatzsachen zu integrieren beziehungsweise sich dann entscheiden zu müssen, wo sie jetzt primär ihren Fokus drauflegen. Wenn am nächsten Tag Schulaufgabe oder irgendetwas ansteht und noch die andere zusätzliche Veranstaltung läuft, dann geht es vielleicht auch immer parallel, aber häufig ist es dann vielleicht auch nicht ganz so möglich. Deswegen stehen die manchmal in so einem kleinen Konfliktpotential, was sie halt dann im Prinzip jetzt favorisieren, unterstützen oder wofür sie sich entscheiden.

 

Inwiefern bemerken Sie durch die Persönlichkeitsbildungsmaßnahmen an Ihrer Schule eine Leistungs- und Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern?

Ich würde sagen, man merkt, dass stark engagierte Schülerinnen und Schüler bei kurzfristigen Leistungsnachweisen vielleicht ein bisschen schwächer sind als die, die sich hauptsächlich auf die Schule konzentrieren. Weil ihnen einfach die Zeit fehlt, um sich für jedes Fach vorzubereiten. Und das, denke ich, macht sich schon bemerkbar. Das ist das, was ich vorhin schon gemeint habe. Sie stehen immer in einem Konflikt. Manche sehen das als Nachteil und hören damit auf. Manche sagen, dass es eine Chance für sie ist, weil die zusätzliche Arbeit ihnen so viel Spaß macht und ihnen so viel zusätzliche Erfahrung und Fähigkeiten gibt. Wenn sie im Schulsanitätsdienst sind, werden sie vielleicht zum Rettungssanitäter mit ausgebildet, das können sie dann selbst auch gebrauchen. Wer im Schulsanitätsdienst war, macht dann zum Beispiel ein Medizinstudium. Der hat dann einen entsprechenden Erfahrungsvorschub, welcher natürlich nicht von der Hand zu weisen ist.

 

Haben Sie ein konkretes Beispiel, bei dem Sie eine Leistungs- oder Kompetenzentwicklung von einer Schülerin oder einem Schüler mitbekommen haben?

Wir hatten Schüler, die am Duke of Edinburgh‘s Award teilgenommen haben, da bin ich ja jetzt auch schon seit 14 Jahren mit dabei, die einen gewissen negativen, Ruf ist vielleicht zu hoch gegriffen, einen negativen Touch hatten. Die haben dann in einer völlig neuen Rolle teilgenommen. Und dann durchaus durch zusätzliches Vertrauen, das man auf einer ganz anderen Ebene entgegenbringen kann, indirekt gesagt haben: „Wenn ich das nicht gehabt hätte, dann hätte ich nicht gewusst, wie ich dadurch gekommen wäre.“Das bekommt man dann auch hinterher als positives Feedback zurück. Das ist der Aspekt, bei dem man als Lehrer auf eine ganz andere Weise unterstützend tätig sein kann, was ich mit meinen Fächern im Unterricht kaum wahrnehme beziehungsweise kaum die Möglichkeit habe, das zu tun, weil man als Mathe- oder Informatiklehrer eine ganz andere Rolle spielt. Das ist für die meisten jetzt nicht das Traumfach und dann haben Schüler auch meistens keine Lust mit einem über ihre eigenen persönlichen Probleme zu reden. Aber wenn man als Lehrer dann am Lagerfeuer den Abend miteinander verbringt, dann kommt man ganz anders in Kontakt und auch auf einer ganz anderen Beziehungsebene. Dann hat man auch eine ganz andere Möglichkeit, sich auszutauschen und die Schüler lernen einen auch ganz anders kennen.

 

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